Nationale Sichtweise

IDevice Icon

Nationale Sichtweise

Ein Beispiel wie die Ursachen und der Beginn des Ersten Weltkriegs in einem populären Geschichtsmagazin des Vereinigten Königreichs dargestellt werden.

 



Aufgaben:

1

Die ersten drei Seiten des Artikels erzählen die Geschichte einer Gruppe junger Studenten, die den Erzherzog von Österreich und seine Ehefrau bei einem Besuch in Bosnien ermordeten. Fasse die Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Frau in Sarajevo im Jahr 1914 in maximal 150 Wörtern zusammen. (In der Geschichtswissenschaft ist es wichtig, in der Lage zu sein, kurze Zusammenfassungen langer Texte zu erstellen). Ungefähr die ersten 50 Wörter sollten klären wer die Opfer des Anschlags waren (weshalb waren sie wichtige Menschen?) und wer die Studenten (oder „Terroristen“) waren. Der übrige Text sollte eine verkürzte Darstellung der Ereignisse sein.

2

Erkläre in maximal 150 Wörtern, weshalb die Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand zum Ersten Weltkrieg führte. (Der schwarze Textkasten oben auf Seite 23 könnte dir bei dieser Frage behilflich sein).

3

Auf Seite 22 des Artikels behauptet der Autor, dass es einige Übereinstimmungen zwischen der Situation in Europa im Jahr 1914 vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs und der heutigen Situation in der Welt gäbe. Was sind diese Übereinstimmungen?

4

Welche Hauptpunkte versucht der Autor in der zweiten Spalte auf Seite 23 des Artikels darzustellen?

5

Artikel in populären Geschichtsmagazinen basieren oft auf aktueller historischer Forschung. Dieser Artikel basiert auf den Arbeiten von Christopher Clark über die Ursachen des Ersten Weltkriegs. Das Buch wurde von Historikern und Journalisten in Großbritannien und den Vereinigten Staaten rezensiert. Die Rezensionen dieser „Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinde“ aus Historikern und Journalisten bieten einen Eindruck davon, wie gut das Buch und die Forschung sind.
Lies die Rezensionen von Clarks Buch. Wie „achtbar“ oder wie qualitativ hochwertig ist das Buch laut den Rezensenten. Was sagen uns die Rezensenten über Clarks Sicht auf die Kriegsschuld?


The Sleepwalkers by Christopher Clark – review
Should Germany really be blamed for the first world war, or did European nations simply sleepwalk into it?
Ian Pindar
The Guardian, Friday 19 July 2013
http://www.theguardian.com/books/2013/jul/19/sleepwalkers-christopher-clark-review

 

The Sleepwalkers: How Europe Went to War in 1914
Strategy, bellicosity, blunder? A.W. Purdue weighs a fresh look at the Great War's deadly genesis
Times Higher Education Supplement, 27 September 2012
http://www.timeshighereducation.co.uk/421230.article


Book review: The Sleepwalkers by Christopher Clark
Christopher Hirst
The Independent, Friday 16 August 2013
http://www.independent.co.uk/arts-entertainment/books/reviews/book-review-the-sleepwalkers-by-christopher-clark-8771140.html

On the Brink: ‘The Sleepwalkers’ and ‘July 1914’
Harold Evans
New York Times, May 12 2013
http://www.nytimes.com/2013/05/12/books/review/the-sleepwalkers-and-july-1914.html?_r=0

IDevice Icon

Aufgaben (Lehreransicht):

1

Die ersten drei Seiten des Artikels erzählen die Geschichte einer Gruppe junger Studenten, die den Erzherzog von Österreich und seine Ehefrau bei einem Besuch in Bosnien ermordeten. Fasse die Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Frau in Sarajevo im Jahr 1914 in maximal 150 Wörtern zusammen. (In der Geschichtswissenschaft ist es wichtig, in der Lage zu sein, kurze Zusammenfassungen langer Texte zu erstellen). Ungefähr die ersten 50 Wörter sollten klären wer die Opfer des Anschlags waren (weshalb waren sie wichtige Menschen?) und wer die Studenten (oder „Terroristen“) waren. Der übrige Text sollte eine verkürzte Darstellung der Ereignisse sein.

 

Es finden sich viele allgemeine Erklärungen („malerische Aussicht“, „mit Villen und Häusern gespickte Berghänge“, „schimmernde Punkte weißen Marmors“), wobei die Hauptpunkte die sind, dass die Mordopfer der Erbe des Throns von Österreich und dessen Ehefrau waren und dass von den sieben Terroristen, sechs aus Serbien stammen, einem Land, das der Feind Österreichs war. Die Terroristen hatten Verbindungen zur serbischen Regierung und trugen Waffen, die in Serbien hergestellt wurden (S. 23 des Artikels).

Im Zuge der Ereignisse des Attentats warteten die sieben Attentäter entlang der für den Staatsbesuch geplanten Route. Einer zündete eine Bombe, die wenig Schaden verursachte, und Franz Ferdinand entschied sich, den Besuch nicht abzubrechen. Der Chauffeur des Erbprinzen verfuhr sich, und als er zu wenden begann, stand zufällig einer der Attentäter, Gavrilo Princip, in unmittelbarer Nähe. Princip schoss auf den Erzherzog und seine Frau und tötete beide.

 

2

Erkläre in maximal 150 Wörtern, weshalb die Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand zum Ersten Weltkrieg führte. (Der schwarze Textkasten oben auf Seite 23 könnte dir bei dieser Frage behilflich sein)

Österreich wollte sich an den Serben rächen, welche es für den Mord verantwortlich machte. Es sah die serbische Nation als Bedrohung für die Doppelmonarchie an. Die Idee der Österreicher bestand darin, die Serben vor ein Ultimatum zu stellen, das diese unmöglich akzeptieren konnten, ohne sich bloß zu stellen, um somit eine Rechtfertigung für eine Invasion und die Zerschlagung Serbiens zu bekommen. Österreich-Ungarn war sich sehr wohl bewusst, dass Russland die Serben womöglich unterstützen könnte, da sie gute diplomatische Beziehungen pflegten und beides „slawische“ Staaten waren (seit Jahren bestanden Spannungen zwischen Russland und Österreich auf dem Balkan). Österreich-Ungarn versicherte sich also der deutschen Hilfe im Falle einer Unterstützung Serbiens durch Russland. Deutschland stand bedingungslos hinter der Habsburgermonarchie. Dies wird oft als „Blankoscheck“ bezeichnet. Frankreich musste aufgrund von Bündnisverpflichtungen Russland gegen Deutschland beistehen. Großbritannien entschied sich für die Seite der Franzosen, obwohl es hierzu nicht vertraglich verpflichtet war. Da die deutsche Invasion Frankreichs durch das neutrale Belgien verlief, sah sich Großbritannien – auch aufgrund eigener Interessen – zu diesem Schritt verpflichtet, da es traditionell als Garant für die Neutralität Belgiens fungierte.

3

Auf Seite 22 des Artikels behauptet der Autor, dass es einige Übereinstimmungen zwischen der Situation in Europa im Jahr 1914 vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs und der heutigen Situation in der Welt gäbe. Was sind diese Übereinstimmungen?

Sowohl im damaligen Vorkriegseuropa als auch im heutigen Europa finden sich terroristische Gruppierungen, die weder regional noch politisch genau einzuordnen sind. Diese Gruppierungen zeichnen sich durch Selbstmordattentate und die kultische Verehrung von Opferbereitschaft, Todesmut und Rache aus. Vor allem seit dem Niedergang des Kommunismus’ herrscht weniger globale Stabilität und weite Gegenden der Welt neigen zu Instabilität und Krisen (Clark führt die Jugoslawienkriege der 1990er Jahre als Beispiel an. Man könnte ebenso die Situation im Nahen Osten und die Kriege im Irak und in Syrien sowie die Spannungen zwischen Israel und dem Iran nennen).

4

Welche Hauptpunkte versucht der Autor in der zweiten Spalte auf Seite 23 des Artikels darzustellen?

Die zentrale Aussage, die Clark herauszustellen versucht, ist, dass die Situation auf dem Balkan der Katalysator war, der zum Beginn des Ersten Weltkriegs führte und dass die Mächtigen in Österreich den Mord nicht einfach ignorieren konnten. Ähnlich dem Anschlag auf die Zwillingstürme am 11. September 2001, war es ein symbolischer Angriff, der keinesfalls unbeantwortet hätte bleiben können.

5

Artikel in populären Geschichtsmagazinen basieren oft auf aktueller historischer Forschung. Dieser Artikel basiert auf den Arbeiten von Christopher Clark über die Ursachen des Ersten Weltkriegs. Das Buch wurde von Historikern und Journalisten in Großbritannien und den Vereinigten Staaten rezensiert. Die Rezensionen dieser „Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinde“ aus Historikern und Journalisten bieten einen Eindruck, wie gut das Buch und die Forschung sind.
Lies die Rezensionen von Clarks Buch. Wie „achtbar“ oder wie qualitativ hochwertig ist das Buch laut den Rezensenten. Was sagen uns die Rezensenten über Clarks Sicht auf die Kriegsschuld?

Die Rezensionen von Clarks Buch – zwei davon sind im Vereinigten Königreich erschienen, die dritte stammt aus der New York Times – sind sehr positiv und bestätigen dem Buch eine aufschlussreiche Darstellung des Kriegsbeginns. Die Tatsache, dass auch andere renommierte Historiker Clarks Buch für eine nachvollziehbare Darstellung des Kriegsbeginns halten, bestätigt den Wert von Clarks Schriften und seiner Forschung.
Clark sagt, dass Deutschland und Österreich eine gewisse Verantwortung für den Kriegsbeginn tragen, aber auch, dass es schlicht zu simpel wäre, allein diesen beiden Ländern die Schuld zuzuschieben. Russland, Frankreich und Großbritannien haben aufgrund ihres Vorgehens auch zur Eskalation beigetragen.