Internationaler Vergleich
Internationaler Vergleich
Der „Ausbruch" des Ersten Weltkriegs: internationaler Vergleich
Nachdem du den Artikel von Christopher Clark gelesen hast, lies den Artikel
„Wochen der Entscheidung” von Stig Förster, aus einem deutschen populären Magazin.
Aufgaben:
1 |
Beide
Artikel beschreiben die Ereignisse, die mit der Ermordung von Erzherzog Franz
Ferdinand zusammenhingen, dem Ereignis, das weithin als einer der Auslöser des
Ersten Weltkriegs angesehen wird. Nach der Beschreibung der Ermordung
besprechen sie aber verschiedene Aspekte des Kriegsbeginns. In gewisser Weise
bieten sie Antworten auf verschiedene Fragen hinsichtlich des Kriegsbeginns. b. Auf welche Frage antwortet Stig Förster? (Konzentriere dich auf die letzten drei Abschnitte von Försters Artikel) c. Die beiden Historiker haben unterschiedliche Ansichten darüber, in welchem Ausmaß der Mord von Sarajevo als „Vorwand“ für einen Krieg genutzt wurde. i) Welche Ansicht vertritt Clark? (Sieh dir die zweite Spalte auf Seite 23 seines Artikels an) ii) Was ist Försters Meinung? (Sieh dir die obere Hälfte der zweiten Seite von Försters Artikel an) |
2 |
Findest
du, nachdem du die beiden Artikel (eventuell auch die Artikel aus Schweden,
Spanien und Polen) gelesen hast, irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass
Historikerinnen und Historiker aus verschiedenen Ländern, die für die populären Magazine schreiben,
voreingenommene Ansichten zur Kriegsschuld haben? (Tendieren also deutsche
Historikerinnen und Historiker eher dazu, andere Länder als Deutschland für den Krieg verantwortlich
zu machen und britische Historikerinnen und Historiker dazu, Deutschland verantwortlich zu machen
usw.) |
3 |
Deutschland, England und Polen waren direkter am
Krieg beteiligt als Spanien und Schweden. Hat dies Auswirkungen auf die Fragen,
die diese Länder über den Krieg stellen? (Ebenso wie bei der vorherigen Frage,
könnte es hilfreich sein, wenn du dir die „Überblickseiten" ansiehst, wie
Schulbücher diese Themen in anderen Ländern behandeln) |
4 |
Der Artikel von Förster konzentriert sich auf die
Frage, welche Länder und Personen die meiste Schuld am Kriegsbeginn
hatten. Welche anderen Fragen könnte man über den Kriegsbeginn stellen? Wird
die Entscheidung, welche Fragen gestellt werden (egal, ob in Schulbüchern oder
Magazinen), von einer nationalen Perspektive beeinflusst? |
5 |
Wie kann es sein, dass es fast 100 Jahre nach dem
Beginn (und nachdem hunderte Historikerinnen und Historiker diese Ereignisse betrachteten) des
Ersten Weltkriegs immer noch keine „wahre“ oder „richtige“ Antwort auf die
Frage gibt, welches Land die meiste Schuld am Krieg trägt und die
zudem auch von allen Historikern akzeptiert wird. Bedeutet das, dass die
Meinung einer Historikerin/ eines Historikers niemals maßgeblicher und verlässlicher als die einer
anderen Historikerin/ eines anderen Historikers sein kann? (Ist alles also nur Ansichtssache?) |
Aufgaben:
1 |
Beide Artikel beschreiben die Ereignisse, die mit der Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand zusammenhingen, dem Ereignis, das weithin als einer der Auslöser des Ersten Weltkriegs angesehen wird. Nach der Beschreibung der Ermordung besprechen sie aber verschiedene Aspekte des Kriegsbeginns. In gewisser Weise bieten sie Antworten auf verschiedene Fragen hinsichtlich des Kriegsbeginns. a. Auf welche Frage antwortet Christopher Clark? (Konzentriere dich auf die letzten drei Abschnitte von Clarks Artikel) b. Auf welche Frage antwortet Stig Förster? (Konzentriere dich auf die letzten drei Abschnitte von Försters Artikel) c. Die beiden Historiker haben unterschiedliche Ansichten darüber, in welchem Ausmaß der Mord von Sarajevo als „Vorwand“ für einen Krieg genutzt wurde. i) Welche Ansicht vertritt Clark? (Sieh dir die zweite Spalte auf Seite 23 seines Artikels an) ii) Was ist Försters Meinung? (Sieh dir die obere Hälfte der zweiten Seite von Försters Artikel an)
1a) Clark
argumentiert, dass der Mord von Sarajevo eine wichtige Rolle für den
Kriegsbeginn spielte. Es war nicht einfach ein „Vorwand“ für den Krieg, denn
Ereignisse, die große Auswirkungen auf Machtverhältnisse und nationales
Prestige haben, die von besonderer symbolischer Bedeutung sind – beispielswiese
die Zerstörung des World Trade Centers 2001 – haben wichtige Auswirkungen auf
die Geschichte, damals wie heute. |
2 |
Findest
du, nachdem du die beiden Artikel (eventuell auch die Artikel aus Schweden,
Spanien und Polen) gelesen hast, irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass
Historikerinnen und Historiker aus verschiedenen Ländern, die für die populären Magazine schreiben,
voreingenommene Ansichten zur Kriegsschuld haben? (Tendieren also deutsche
Historikerinnen und Historiker eher dazu, andere Länder als Deutschland für den Krieg verantwortlich
zu machen und britische Historikerinnen und Historiker dazu, Deutschland verantwortlich zu machen
usw.)
Es gibt
wenige Anhaltspunkte dafür, zu behaupten, dass die Verfasser dieser Artikel
„nationalistisch“ und voreingenommen seien. Förster, ein deutscher Historiker,
verficht die Meinung, dass Deutschland und Österreich etwas mehr Schuld für
den Kriegsbeginn trifft als andere Länder (wenngleich nicht die Ganze). Die
Bestimmungen im Lehrplan in Deutschland legen viel Wert auf die
„Fischerkontroverse“. Der deutsche Historiker Fritz Fischer vertrat die
Ansicht, dass Deutschland die Hauptschuld für den Krieg treffe und bemerkt,
dass dieses Thema bereits von vielen Historikerinnen und Historikern diskutiert wurde. Freilich
bedeutet das nicht, dass sich noch nie eine Historikerin/ ein Historiker schuldig gemacht hätte,
die Vergangenheit einseitig nationalistisch gedeutet zu haben, aber die Artikel
in populären Geschichtsmagazinen – zumindest in denen, die im
EHISTO-Projekt behandelt werden – sind nicht von Nationalismus durchsetzt. Die
akademische Geschichtswissenschaft basiert darauf, dass Historikerinnen und Historiker die
Ergebnisse ihrer Forschung in Büchern publizieren und diese Ergebnisse
daraufhin von der wissenschaftlichen Gemeinde, die wiederum aus professionellen
Historikern besteht, kritisiert und überprüft werden. Die Artikel in populären Magazinen sind Teil
des Versuchs, das Wissen aus diesen Forschungen einer breiteren Öffentlichkeit
zugänglich zu machen.
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Deutschland, England und Polen waren direkter am Krieg beteiligt als Spanien und Schweden. Hat dies Auswirkungen auf die Fragen, die diese Länder über den Krieg stellen? (Ebenso wie bei der vorherigen Frage, könnte es hilfreich sein, wenn du dir die „Überblicksseiten" ansiehst, wie Schulbücher diese Themen in anderen Ländern behandeln) Die Tatsache, dass einige Länder nicht direkt in den Krieg verwickelt waren (Spanien und Schweden), könnte bedeuten, dass sie unparteiischere Fragen darüber stellen könnten. Oft haben sich Historikerinnen und Historiker dafür entschieden, sich auf die Aspekte des Weltkriegs zu spezialisieren, die am engsten mit der Vergangenheit ihres Lands verknüpft sind. Auch wenn diese Wissenschaftler weder voreingenommen oder nationalistisch sind, ist ihre Sichtweise doch dadurch beeinflusst, aus welchem Land sie stammen. (Im nächsten Abschnitt finden sich Beispiele) |
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Der Artikel von Förster konzentriert sich auf die Frage, welche Länder und Personen die meiste Schuld am Kriegsbeginn hatten. Welche anderen Fragen könnte man über den Kriegsbeginn stellen? Wird die Entscheidung, welche Fragen gestellt werden (egal, ob in Schulbüchern oder Magazinen), von einer nationalen Perspektive beeinflusst?
Andere Fragen könnten sich darauf beziehen, welche
Faktoren am meisten zum Kriegsbeginn beitrugen (Geheimdiplomatie, Streit um
Kolonien, wirtschaftliche Rivalität, Wettrüstung, Gleichgewicht der Mächte),
weshalb der Krieg 1914 und nicht früher oder später ausbrach, ob der Krieg
durch den Kapitalismus ausgelöst wurde, ob er unabsichtlich oder ganz bewusst
vom Zaun brach oder ob er ein Mittel dafür war, die Aufmerksamkeit der Menschen
von anderen Problemen abzuwenden. |
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Wie kann es sein, dass es fast 100 Jahre nach dem Beginn (und nachdem hunderte Historikerinnen und Historiker diese Ereignisse betrachteten) des Ersten Weltkriegs immer noch keine „wahre“ oder „richtige“ Antwort auf die Frage gibt, welches Land die meiste Schuld am Krieg trägt und die zudem auch von allen Historikern akzeptiert wird. Bedeutet das, dass die Meinung einer Historikerin/ eines Historikers niemals maßgeblicher und verlässlicher als die einer anderen Historikerin/ eines anderen Historikers sein kann? (Ist alles also nur Ansichtssache?)
Clark und
Förster sind beide Experten auf ihrem Gebiet. Hierdurch wird deutlich, dass es
manchmal sehr schwer ist, sich in den Geschichtswissenschaften sicher zu sein,
was und warum etwas geschehen ist, da häufig nicht alle Zeugnisse erhalten sind
und weil Historikerinnen und Historiker die überlieferten Zeugnisse oft unterschiedlich interpretieren.
Oftmals stellen Menschen auch verschiedene Fragen an ein und dasselbe Ereignis.
Beispielsweise handelt der Artikel von William Mulligan „Die Auslöser des
Ersten Weltkriegs“ (in History Review,
Nr. 68, Mai 2011: 12-17) von den Ursachen des Ersten Weltkriegs, aber
behandelt im Vergleich zu Clark und Förster völlig andere Ereignisse, indem er
sich auf die Frage konzentriert, was überhaupt den Frieden zwischen 1870 und
1914 aufrecht erhielt und was sich 1914 geändert hatte. Aufgrund derartiger Sachverhalte
unterscheiden sich Darstellungen. Abhängig von verschiedenen Beweisen, sind
manche Historikerinnen und Historiker verlässlicher als andere. Die Darstellungen der Vergangenheit
können auch von ihrer Vergangenheit und ihren Ansichten abhängen. Manche
Menschen versuchen auch, Geschichte für ihre Ziele zu instrumentalisieren.
Zwei Zitate
zur Geschichte sind für die Entwicklung von historischer und kritischer
Kompetenz wichtig:
Die meisten
Historiker […] finden mehr Zeugnisse der Geschichte, als sie sich erträumen oder
als sie preisgeben. Die Qualität dieser Zeugnisse, gemeinsam mit der Qualität
und der Notwendigkeit der Auswahl, der Anordnung und der Darstellung, ist ein
wichtiges Kriterium zur Unterscheidung von guter und schlechter Geschichtsschreibung.“ Aldrich,
R. (1997): The end of history and the beginning of education, London, ULIE: 5.
„Das komplexe
Wechselspiel der Zeugnisse, die selbst oft nicht gesichert sind und die immer
der Interpretation unterliegen, macht die Geschichte zu einem besonders wichtigen Teil in der Entwicklung von Verstehen. Sie hilft Schülerinnen und Schülern dabei, zu begreifen,
dass es ein breites Spektrum von Fragen – ob politischer, ökonomischer,
sozialer oder kultureller Natur – gibt, auf die es nicht die eine, richtige
Antwort gibt und bei deren Beantwortung Meinungen toleriert werden müssen, die aber
gleichzeitig der Überprüfung durch Argumente und Beweise standhalten müssen.
Indem der Schüler zunehmend Kontakt mit der Geschichte hat, sollte er darin
bestärkt werden, sich ein Gefühl dafür anzueignen, dass auch eine persönliche Meinung
immer auf Fakten basieren muss; auch wenn die Fakten diffizil und auf den
ersten Blick nicht stimmig sein mögen. Ebenso sollte die Akzeptanz der Existenz
anderer Standpunkte betont werden. Mit anderen Worten gesagt, scheint der
Geschichtsunterricht einerseits durch einen Geist der Wahrheit beseelt sein zu
müssen, der auf dem Fundament des Beweises steht und andererseits die
Notwenigkeit eines Wechselspiels zwischen Argument und Gegenargument anerkennen
zu müssen. In diesem Sinne sollte er den Schülern eine derartige
Herangehensweise vermitteln.“ Joseph, K. (1984): Why teach history in school?, The
Historian, Nr. 2.
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