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Die Ursachen und der Ausbruch" des Ersten Weltkriegs

Die Perspektive Großbritanniens

 

Tom Spillane, Hellesdon High School und Terry Haydn Universität von East Anglia

 


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Grundlegende Informationen

Der Erste Weltkrieg und besonders die Ursachen seines Ausbruchs" sind derzeit im Geschichtsunterricht und in der historischen Forschung viel diskutiert, besonders, da der 100. Jahrestag des Kriegsbeginns bevorsteht. Ein weiterer Grund für das andauernde Interesse an den Gründen für den Kriegsbeginn besteht darin, dass – trotz einer fast hundertjährigen Forschungsgeschichte – in den Geschichtswissenschaften immer noch keine Einigkeit über die Kriegsschuld, über die Ursachen, oder darüber, weshalb der Krieg ausgerechnet 1914 und nicht bereits zuvor begann, herrscht.

 

Lehrplanbezug

Der Erste Weltkrieg fand in den britischen Lehrplänen immer schon große Beachtung und er ist im derzeitigen nationalen Lehrplan eines der vier Pflichtthemen (die anderen Pflichtthemen sind die Sklaverei, der Holocaust und der Zweite Weltkrieg) und er findet sich auch im Vorschlag zum neuen nationalen Lehrplan (ab September 2014) als Pflichtthema wieder. Etwa im Alter von 14 Jahren werden die Schülerinnen und Schüler mit diesem Thema konfrontiert und falls sie weiterführend die Neuere und Neueste Geschichte auswählen, begegnet es ihnen erneut. Die Schulbücher widmen dem Ersten Weltkrieg natürlich auch eine gewisse Aufmerksamkeit; einerseits aufgrund seiner Wichtigkeit für die britische Geschichte und andererseits, weil die zahlreichen Kontroversen über dieses Thema den Schülerinnen und Schülern deutlich machen können, dass es unterschiedliche Perspektiven hinsichtlich des Kriegsbeginns gibt. Hier kommt der Themenkomplex der Forderung des Lehrplans nach „kritischer Urteilsfähigkeit“ zugute.

Lernobjekte

Am Ende der Lerneinheit sollten die Schülerinnen und Schüler einen Überblick über die Ereignisse, die zum Kriegsbeginn beitrugen, haben, verstehen, dass verschiedene Faktoren den Krieg auslösten, das verschiedene Sichtweisen zu den Ereignissen, die zum Kriegsbeginn führten, existieren und dass die Frage nach der Kriegsschuld auf verschiedene Art und Weise beantwortet werden kann. Außerdem sollen die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass, auch wenn keine Einigkeit zu diesen Themen besteht, manche Lösungen und Theorien wahrscheinlicher als andere sind und dass nicht alle die gleiche Validität besitzen. Die verschiedenen Interpretationen und ihre Gültigkeit hängen von der Stärke ihrer Beweise ab. Es ist außerdem nötig, dass eine Gruppe von Wissenschaftlern dieses Fachgebiets sie hinterfragen und gegebenenfalls verifizieren oder falsifizieren.

 

Darstellung des „Ausbruchs” des Ersten Weltkriegs in Großbritannien: Schulbücher, populäre Geschichtsmagazine und Zeitungen

Die Schülerinnen und Schüler in Großbritannien werden mit diesem Thema in verschiedenen Phasen ihrer Schullaufbahn konfrontiert. Der Erste Weltkrieg ist ein Pflichtthema im nationalen Geschichtslehrplan, sodass alle Schülerinnen und Schüler entweder mit 13- oder 14-Jahren diesem Komplex begegnen. Zu diesem Zeitpunkt wird der „Ausbruch” des Kriegs nur angeschnitten. Hiervon wird ein Großteil der Zeit auf den Verlauf des Kriegs an der Westfront verwendet.

Für das GCSE-Examen (15- oder 16jährige Schülerinnen und Schüler) befassen sich Schülerinnen und Schüler, die sich für die Belegung von Geschichte entschieden haben, genauer mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs und besonders mit den Krisen der Vorkriegsjahre 1905 bis 1914 sowie den Ursachen für die Spannungen (Wettrüstung, Kolonialismus, Geheimdiplomatie usw.). An Schülerinnen und Schüler, die Geschichte bis zum A-Level (Abitur) weiter belegen, stellt der Lehrplan die Anforderung, dass sie sich mit dem aktuellen Forschungsstand zum Ersten Weltkrieg auskennen und die verschiedenen Ansichten von Historikerinnen und Historiker darüber kennen, welches Land die Kriegsschuld trug, weshalb der Krieg 1914 und nicht zu einem anderen Zeitpunkt ausbrach und inwiefern die Situation auf dem Balkan zum Krieg beitrug.

Der bevorstehende hundertste Jahrestag des Kriegsbeginns brachte eine Fülle von Magazin- und Zeitungsartikel über die Ursachen des Kriegsbeginns mit sich, die oft von angesehenen, britischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verfasst wurden. Es herrschen verschiedene Ansichten darüber vor, ob Großbritannien in den Krieg hätte eintreten sollen. Beispielsweise steht Niall Ferguson dem Kriegseintritt kritisch gegenüber, wohingegen zahlreiche andere Historiker (beispielsweise Gary Sheffield) der Meinung sind, dass die Alternative die Akzeptanz einer deutschen Hegemonie in Europa gewesen wäre. Es bieten sich deshalb einige interessante Vergleichsmöglichkeiten mit der Debatte in Deutschland an (vgl. unten).

Unserer Ansicht nach ist eines der Hauptanliegen, dass die Schülerinnen und Schüler sich im Zuge des Projekts bewusst werden, dass Historiker, Journalisten und Politiker sich oft über die Vergangenheit nicht einig sind, dass allerdings Möglichkeiten existieren zu überprüfen, welche Deutungsangebote vertrauenswürdiger und ausschlaggebender sind als andere.

Erstellt durch Terry Haydn, EHISTO-Team, Universität East Anglia.


Die Darstellung des „Ausbruchs“ des Ersten Weltkriegs in deutschen Schulbüchern

Für die Einschätzung, wie deutsche bzw. bayerische populäre Geschichtsmagazine den Beginn des Ersten Weltkriegs darstellen, ist es hilfreich, einen Blick auf die Darstellung des Themas in Curricula und Schulbüchern zu werfen. In Bayern ist der Beginn des Ersten Weltkriegs in den Komplex „Imperialismus und Erster Weltkrieg" eingebettet. Dabei werden vier Schwerpunktthemen behandelt:

1. Die Krise auf dem Balkan, das Attentat von Sarajevo und der „Weg in den Krieg“
2. Der industrialisierte Krieg und das Erleben des Kriegs an der Front und in der Heimat

3. Das Epochenjahr 1917 und die Russische Revolution
4. Das Kriegsende mit dem Versailler Vertrag und seinen Folgen.


Daran schließt sich das Kapitel „Die Weimarer Republik“ an, die mit dem Zusammenbruch der ersten deutschen parlamentarischen Demokratie und dem Aufstieg des Nationalsozialismus endet.
Grundsätzlich gehen die Schulbücher auf die sogenannte „Fischerkontroverse“ ein: Der Historiker Fritz Fischer stellte 1961, in seinem Werk „Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschlands 1914/1918“, Düsseldorf die These auf, dass das Deutsche Reich nicht in den Ersten Weltkrieg „geschlittert“ und dass dieser auch nicht „ausgebrochen“ sei, sondern dass wichtige gesellschaftliche, wirtschaftliche und militärische Kreise bewusst und gezielt auf den Beginn des Ersten Weltkriegs hingearbeitet und dabei auch darauf geachtet hätten, dass das Deutsche Reich nicht als Angreifer fungiert. Diese These wurde auf das Heftigste von deutschen Historikern attackiert, weil damit auch die sogenannte „Kriegsschuld“, die der Versailler Vertrag in Artikel 231 formuliert hatte, unterstützt worden wäre. In Deutschland hatten sich jedoch seit 1919 alle gesellschaftlichen Kräfte von rechts bis links gegen die Schuldzuschreibung im Versailler Vertrag gewehrt. Heute sehen die Historiker keine eindeutige und vor allem auch keine alleinige Schuld des Deutschen Reichs am Beginn dieses Kriegs, wobei sie die „Kriegspläne“ bestimmter deutscher Gesellschafts- und Regierungskreise durchaus anerkennen.

Die meisten Schulbücher vermeiden heute bewusst Formulierungen wie „in den Krieg schlittern“ oder „das Ausbrechen des Kriegs“ und verwenden den neutralen Begriff des „Wegs in den Ersten Weltkrieg“, wobei nicht immer darauf eingegangen wird, ob dieser Weg" Alternativen hatte. Angesichts der Bedeutung, die der Frage der deutschen Verantwortung in Vergangenheit und Gegenwart zukommt, ist es wichtig, den Schülerinnen und Schülern die Implikationen der Begriffswahl deutlich zu machen („Schlittern“ vs. „Ausbrechen“ vs. „Beginnen“ etc.) und sie zu einem kritischen Urteil und zur eigenen Meinungsbildung anzuregen.

Erstellt durch das EHISTO-Team, Augsburg