Nationale Sichtweise
Nationale Sichtweise
Polens Perspektive
Polen spielte bei großen geographischen Entdeckungen keine Rolle und nahm folglich nicht an der Expansion in den neu entdeckten Gebieten teil. Dieser Umstand beeinflusst die Sichtweise polnischer Historiker (und indirekt auch Geschichtslehrer) auf die Rolle von Christoph Kolumbus und die Bedeutung seiner Reise für die Weltgeschichte. Im polnischen Lehrplan für den Geschichtsunterricht tauchen die historische Figur Kolumbus und der Inhalt seiner Reisen als Teil eines größeren Problemzusammenhangs auf, in dem es um Expeditionen geht, die von Seeleuten und Reisenden im 15. und 16. Jahrhundert unternommen wurden, sowie ihre ,,Entdeckungen". Bei der Behandlung des Themas in den Schulen werden folgende Aspekte besonders betont: die Gründe für größere Entdeckungsreisen und deren Verlauf, die Erfindungen, die transatlantische Reisen überhaupt möglich machten, die Entscheidungskriterien verschiedener Länder, eine Expansion auf anderen Kontinenten in Gang zu setzen, und letztlich die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Konsequenzen der zu dieser Zeit gemachten Entdeckungen. Somit reihen sich in den Geschichtsbüchern die Person und die Lebensgeschichte von Christoph Kolumbus neben anderen großen Entdeckern und Reisenden wie Marco Polo, Bartholomäus Diaz, Vasco da Gama, Amerigo Vespucci und Ferdinand Magellan ein. Aus polnischer Perspektive stellen Kolumbus Reisen damit, ähnlich wie die Entdeckungen von anderen Seeleuten, hauptsächlich einen Wendepunkt in der Weltgeschichte dar, weil die Expeditionen das Mittelalter beendeten und den Beginn der Moderne einläuteten.
Für die europäischen Länder (wie Spanien, Portugal, England und Frankreich), die im Zuge der Entdeckung begannen, auf andere Kontinente zu expandieren, bedeuteten Kolumbus Entdeckungen auch den Beginn des europäischen Kolonialzeitalters. In polnischen Veröffentlichungen und Lehrwerken ist das Thema deutlich weniger vertreten. Was die Folgen der Entdeckungen (einschließlich der Entdeckung Amerikas) angeht, wird das Hauptaugenmerk auf die Aspekte gelegt, die mit sozialen Veränderungen zu tun haben, welche aus großen Entdeckungen (auf dem alten Kontinent sowie in den eroberten Ländern) hervorgingen: eine neue Weltanschauung, wirtschaftliche Änderungsprozesse und politische Folgen für das Verhältnis zwischen den Ländern, die an der Eroberung der neu entdeckten Gebiete beteiligt waren.
Seit Neuestem kann jedoch ein gesteigertes Interesse am Thema große Entdeckungen und an der Person Christoph Kolumbus in Polen beobachtet werden. Dieses Interesse basiert auf aktuellen Hypothesen zu den angeblich polnischen Wurzeln des großen Entdeckers und seiner Verwandtschaft mit dem polnischen König Wladislaw III. von Warna. Solche „Enthüllungen” finden unter polnischen Historikern aber nicht allzu viele Fürsprecher. Die Ungläubigkeit resultiert teilweise aus einem Mangel an überzeugenden Beweisen, welche die These des polnischen Ursprungs von Kolumbus stützen könnten, und teilweise aus dem tief verwurzelten Bild von König Wladislaw von Warna als jungem Krieger und Verteidiger des christlichen Glaubens, dem Herrscher, der in der Schlacht von Warna 1444 starb. Trotzdem bezieht sich das in diesem Übungsmodul präsentierte Material aus Polen auf das Thema verschiedener Theorien zur Abstammung von Christoph Kolumbus.
Polnische Materialien
Der besprochene Text stammt aus dem populärwissenschaftlichen Geschichtsmagazin „Die Jahrhunderte sprechen“, das vor allem auf eine junge Leserschaft abzielt. Der Artikel von Rafal Jaworski („Christoph Kolumbus oder die Geschichte von König Wladislaw auf einer fernen Insel”) ist eine Art kritische Rezension des Buches „Kolumbus. Unbekannte Geschichte“ von Manuel Rosa, das unter anderem die Theorie einer polnischen Abstammung des Entdeckers von Amerika vorstellt.
Arbeitsaufgabe
1 |
Fasse den Inhalt des Artikels von Rafal Jaworski, den du gelesen hast, in ein paar Sätzen zusammen.
a. Wie würdest du die Unterüberschrift des Artikels „Die Geschichte von König Wladislaw auf der einsamen Insel“ interpretieren? |
2 |
Welche Theorien zur Abstammung von Kolumbus werden im Artikel angeführt?
a. Woher resultieren die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der wahren Herkunft von Christoph Kolumbus? |
3 |
Was kann aus dem Artikel über Wladislaw von Warna, den du gelesen hast, und von den Theorien zu seinem Schicksal nach der Schlacht von Warna gelernt werden? |
4 |
Was kann aus dem Artikel über die polnischen Wurzeln von Christoph Kolumbus gelernt werden? Wie werden die Personen Wladislaw von Warna und Kolumbus miteinander verbunden?
a. Welche Argumente führt M. Rosa an, um die These zu Christoph Kolumbus polnischen Wurzeln zu stützen? b. Wie steht der Autor des Artikels Rafal Jaworski, zur Theorie einer polnischen Abstammung von Christoph Kolumbus? c. Nimm an folgender Diskussion teil: Welcher der (von Rosa und Jaworski vertretenen) Standpunkte zur Theorie einer Verwandtschaftsbeziehung zwischen Christoph Kolumbus und Wladislaw von Warna ist glaubwürdiger und überzeugender? |
Polnische Materialien
Der besprochene Text stammt aus dem populären Geschichtsmagazin „Die Jahrhunderte sprechen“, das vor allem auf eine junge Leserschaft abzielt. Der Artikel von Rafal Jaworski („Christoph Kolumbus oder die Geschichte von König Wladislaw auf einer fernen Insel”) ist eine Art kritische Rezension des Buches „Kolumbus. Unbekannte Geschichte“ von Manuel Rosa, das unter anderem die Theorie einer polnischen Abstammung des Entdeckers von Amerika vorstellt.
Methodische Anmerkungen: Der Artikel besitzt
einen populärgeschichtswissenschaftlichen Charakter. Sein Autor ist
Berufshistoriker und Archivar. Er ist Angestellter des in Petrikau etablierten
Teils der Jan-Kochanowksi-Universität Kielce in Polen. Der Text ist in
einfacher und leicht zugänglicher Sprache geschrieben, bezieht sich aber auf
das Thema kritischer Auswertung von historischen Informationsquellen, die für
jüngere Schülerinnen und Schüler zu schwierig zu verstehen sein könnten (aufgrund des speziellen
Vokabulars, das im Text benutzt wird, und der fehlenden Möglichkeit, die
angeeigneten Informationen mit eigenen Erfahrungen in Beziehung zu setzen).
Der Text sollte also erst bei der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern zwischen
15 und 19 Jahren eingesetzt werden. In Polen entspricht das dem Niveau der
Oberschule. Die Lehrkraft kann jedoch, wenn sie sich der Fähigkeiten der
Schülerinnen und Schüler und der notwendigen Kompetenzen bewusst ist, den Artikel bereits bei der Arbeit mit Jugendlichen im
Gymnasium (des polnischen Schulsystems) verwenden. Dem
Kernlehrplan für Geschichte in Polen gemäß, entspricht der Inhalt des Artikels
den Themen, welche im dritten Bildungsabschnitt und innerhalb des erweiterten
Rahmens des Geschichtsunterrichts im vierten Bildungsabschnitt zu besprechen sind.
Aufgaben
1 |
Fasse den Inhalt des Artikels von Rafal Jaworski, den du gelesen hast, in ein paar Sätzen zusammen.
Methodische Anmerkungen: Die Aufgabe kann
einzeln oder in Zweiergruppen bearbeitet werden.
a. Wie würdest du die Unterüberschrift des Artikels „Die Geschichte von König Wladislaw auf der einsamen Insel“ interpretieren?
Aufgabenlösung: Dadurch, dass sie das Wort „Geschichte“ und
damit einen für Legenden und Fantasieerzählungen charakteristischen Stil
aufweist, nimmt die Unterüberschrift die Einstellung des Autors zum Gegenstand
seiner Ausführungen im Artikel über die Abstammung von Kolumbus bereits vorweg.
Der Zusammenhang zwischen der so formulierten Überschrift und Unterüberschrift
des Artikels deutet dem Leser an, dass die angeblichen Informationen zu den
Verwandtschaftsbeziehungen zwischen dem polnischen König Wladislaw von Warna
und Christoph Kolumbus lediglich als eine Art Märchengeschichte für Kinder
betrachtet werden können. |
2 |
Welche Theorien zur Abstammung von Kolumbus werden im Artikel angeführt? Methodische Anmerkungen: Die Aufgabe kann einzeln oder in Zweiergruppen bearbeitet werden Aufgabenlösung:
- Die
Theorie zu Christoph Kolumbus Herkunft aus dem italienischen Genua auf
Grundlage einer Erwähnung in seinem Testament (S. 22)
- Die
Theorien über seine griechischen, kastilischen, korsischen, norwegischen,
portugiesischen, schottischen und jüdischen Wurzeln (S. 23)
- Die
Theorie zu Kolumbus Verwandtschaft mit dem polnischen König Wladislaw von Warna a. Woraus resultieren die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der wahren Herkunft von Christoph Kolumbus?
Aufgabenlösung: Es ist sehr schwer, Tatsachen über Menschen, die
vor einigen Jahrhunderten auf die Welt kamen, zu beweisen, wenn sie nicht aus
königlichen Familien stammen. Dokumente, die dazu beitragen können, solche
Feststellungen zu machen (Bielbriefe, Volkszählungen, Grundbücher, persönliche
Fragebögen) sind erst in den letzten 200-300 Jahren verbreitet worden (S.
22-23). Historiker verfügen nicht über derartige Quellen aus dem 15.
Jahrhundert, als Christoph Kolumbus geboren wurde. Zudem hinterließ Kolumbus
selbst nur wenige dokumentierte Informationen zu seiner Abstammung oder seinen
Vorfahren. |
3 |
Was kannst du von dem Artikel über Wladislaw von Warna und aus den Theorien zu seinem Schicksal nach der Schlacht von Warna lernen?
Methodische Anmerkungen: Die Aufgabe kann einzeln oder in Zweiergruppen bearbeitet werden |
4 |
Was kannst du aus dem Artikel über die polnischen Wurzeln von Christoph Kolumbus lernen? Wie werden die Personen Wladislaw von Warna und Kolumbus miteinander verbunden?
Methodische Anmerkungen: Die Aufgabe kann in kleinen Gruppen
von zwei oder mehreren Schülerinnen und Schülern bearbeitet werden. a. Welche Argumente führt M. Rosa an, um die These zu Christoph Kolumbus` polnischen Wurzeln zu stützen?
Methodische Anmerkungen: Die Aufgabe kann in kleinen Gruppen
von zwei oder mehreren Schülerinnen und Schülern bearbeitet werden.
b. Wie steht der Autor des Artikels Rafal Jaworski, zur Theorie einer polnischen Abstammung von Christoph Kolumbus?
Methodische Anmerkungen: Die Aufgabe kann in kleinen Gruppen
von zwei oder mehreren Schülerinnen und Schülern bearbeitet werden.
c. Diskutiert folgendes: Welcher der (von Rosa und Jaworski vertretenen) Standpunkte zur Theorie einer Verwandtschaftsbeziehung zwischen Christoph Kolumbus und Wladislaw von Warna ist glaubwürdiger und überzeugender?
Methodische Anmerkungen: Die Aufgabe kann als Diskussion
zwischen den Schülerinnen und Schülern durchgeführt werden, die vom Lehrer in der Gruppe oder in
der ganzen Klasse moderiert wird. |
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