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Lehrerkommentar zum Transnationalen Vergleich
Der Artikel von
Jaworski hebt hervor, dass die historischen Aufzeichnungen sogar über berühmte
historische Persönlichkeiten wie Christoph Kolumbus sehr bruchstückhaft sind.
Über Jahrhunderte hinweg sind Dokumente verschwunden oder zerstört worden... Es
passiert häufig, dass durch den Lauf der Geschichte Hinweise nachhaltig
beseitigt werden... Selbst Studenten der Geschichtswissenschaft wissen sehr
gut, dass es je weiter wir zurückgehen immer schwieriger wird brauchbare Informationen
zu gewinnen, die wir heute noch gut verwenden können.
Dies ist für seine Argumentation insofern wichtig, dass es im Laufe der
Geschichtsschreibung immer wieder Leute gab und gibt, die Löcher bzw.
Unklarheiten der Geschichte füllen wollen. Dabei sogar Beweise absichtlich
manipulieren oder verzerren wollen, sodass das Wissen darüber fadenscheinig
wirkt oder einfach nur falsch ist.
Er rezensiert das Buch „Kolumbus, die unerzählte Geschichte von Manuel Rosa (der Portugiese ist), in dem
der Autor behauptet, dass Kolumbus tatsächlich Portugiese sei.
Jaworski steht der Gültigkeit von Rosas Aussagen und dessen Fähigkeit und
Integrität als Historiker sehr kritisch gegenüber. Dabei beruft er sich auf
dessen mangelhaften Einsatz von Fußnoten, seinen Angaben historischer Quellen
und deren schwache Analyse:
„Kolumbus: Die unerzählte Geschichte“ kann als Teil der zunehmenden
pseudo-iberischen Studien gesehen werden, mit denen jeder Nonsens unter dem
Schein der wissenschaftlichen Forschung verkauft werden kann. Es ist eine Schande,
dass dieser Nonsens ohne Weiteres akzeptiert und gefördert wird, was die
zahlreichen Interviews mit dem Autor und der Präsentation seines Buches in den
polnischen Medien beweisen. Das sogenannte „Norman Davies Syndrom“ trifft auch
hier zu. Lesen ist einfach beliebt und man ist von allem, was Fremde über
unsere Geschichte schreiben angetan.
Bei dieser Betrachtung bleibt eigentlich nur noch die Genugtuung übrig, die man
daraus gewinnt, dass Manuel Rosa, ein überzeugter, portugiesischer Patriot, der
extrem viel Aufwand in den Beweis, dass Kolumbus Portugiese ist, gesteckt hat,
nun tatenlos zusehen muss, wie sich die Nachricht, das Kolumbus eigentlich Pole
war, immer weiter verbreitet.
Der wissenschaftliche Fußnotenapparat einer historischen Arbeit gibt dem Leser
die Möglichkeit, die vom Autor gegebenen Informationen anhand von Quellen und
kritischen Texten, durch deren Studium der Verfasser seine Theorien entwickelt,
auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Im Falle von Kolumbus ist dieser
Apparat nur ein Schwindel, der das Buch im wissenschaftlichen Glanz erscheinen
lassen soll. Fußnoten wurden willkürlich gesetzt und die wichtigsten
Quellentexte nicht angegeben. Spekulationen um die Herkunft Kolumbus´ sind
vielleicht das klassischste Beispiel für die Arbeit eines Laien, bei der
Inkompetenz hinter dem Vorhang von lärmender Begeisterung und
unerschütterlichem Vertrauen in die eigene Unfehlbarkeit, versteckt wird.
Ein anderes, ernsthafteres Problem ist, dass jeder Satz des Buches als Beispiel
für mangelnde Fähigkeiten des Autors in puncto der Analyse geschichtlicher
Quelltexte hergenommen werden kann. Rosa scheint unfähig zu sein, die von ihm verwendeten
Texte hinsichtlich des Informationsgehaltes und der Glaubwürdigkeit des Autors
einer grundlegenden kritischen Analyse zu unterziehen. Diese Untauglichkeit
resultiert zum einen aus einer mangelnden Vorbereitung, zum anderen ist dies eine
bewusste Strategie, da schon allein eine grundlegende Analyse einiger
Quelltexte, auf denen Rosa seine Theorie aufbaut, ihn dazu zwingen würde, seine
Thesen zu überprüfen.
Die Verbindung zwischen den Texten von Jarkowski und Armitage liegt darin, dass
Armitage damit argumentiert, dass Menschen immer Versuchen die Vergangenheit zu
ihren eigenen Gunsten zu verzerren (mit Bezug auf die Geschichte von Kolumbus
aber auch im Allgemeinen) und Jaworski widmet einen kompletten Artikel einem
bestimmten Beispiel dieses Phänomens.
Mit Bezug auf den Vergleich von Armitage und Rosa als Historiker enthüllt eine
Google-Suche, dass Rosa ein IT-Analyst und Hobby-Historiker ist (siehe den
Wikipedia-Artikel über Rosa), wohingegen Armitage ein anerkannter Professor an
einer der renommiertesten Universitäten (Havard) der Welt ist.
Der britische Historiker John Tosh hebt hervor, dass die Vielfalt und
Ungleichmäßigkeit der öffentlich zugänglichen Geschichte, diese zu einem Feld
macht, das tiefgründigeres wissenschaftliches Arbeiten von Nöten macht (Tosh
2008:136). Als spektakuläres Beispiel hierbei dient der kurze Videoclip über
„die Reagan Jahre“ (http://www.learnourhistory.com/The_Reagan_Revolution.html)
auf der Website: „Learn our History“ (www.learnourhistory.com).
Diese Seite verspricht „positive, patriotische und unparteiliche amerikanische
Geschichte, deren Begründer damit argumentieren, dass dieses Projekt deshalb
notwendig war, da in US-amerikanischen Schulen die Klassen und Lernmaterialien
oft von falschen Darstellungen, Ungenauigkeit der Geschichte, persönlichen
Neigungen und politischer Korrektheit geprägt sind – und ohne der Anerkennung
von Gottes Wirken bei der Gründung der Nation und der amerikanischen
Entwicklung bestehen. Die Website besitzt eine Bestätigung über die wissenschaftliche
Genauigkeit ihres Inhaltes inklusive Vermerken von wissenschaftlichen
Professoren (http://www.learnourhistory.com/How_We_Develop_Our_Content.html).
Dies rührt alles daher, da es immer schon Menschen gab, die darauf aus waren,
die Vergangenheit für ihre eigenen Zwecke zu verwenden. Eine wichtige Aufgabe
der Schule besteht darin, die historische, kritische und mediale Bildung der
jungen Menschen zu fördern. Und zwar so, dass sie die Schule verlassen und in
der Lage sind, den Unterschied zwischen guter und schlechter
Geschichtsschreibung erklären zu können. Um es in den Worten von Norman
Longworth (1981) wiederzugeben: Es braucht nicht viel Vorstellungsvermögen, um
zu erkennen, was die Folgen davon sind, wenn wir unsere Kinder nicht erziehen.
Es ist unerlässlich sie mit wichtigen und unwichtigen Informationen, harten
Fakten, Vorurteilen, Halbwahrheiten und Wahrheiten vertraut zu machen, sodass
sie merken, wenn sie manipuliert werden, von wem und für welchen Zweck.“
Eine Google Recherche zeigt, dass Rosa einen ziemlich umfassenden
Internetauftritt hat, inklusive seiner eigenen Website. Nichtsdestotrotz
sollten wir uns vor Augen halten, dass ein Internetauftritt alleine noch lange
keine Garantie für Kompetenz und Glaubwürdigkeit ist. Wie der britische
Historiker Stephen Church feststellt: „Das Internet ist für Historiker
großartig. Allerdings musst du immer im Hinterkopf behalten, dass absolut
niemand zwischen dir und dem Idioten steht, der sein Geschreibsel ins Netz
stellt.“ (Church 2002)
Eine Erklärung dafür,
warum Kolumbus nicht wirklich im Geschichtslehrplan in England präsent ist, ist
dass in England, wie auch in vielen anderen (vielleicht in den Meisten)
Ländern, die Mehrheit der Politiker darauf Wert legt, dass sich der
Geschichtsunterricht in Schulen hauptsächlich auf die nationale Geschichte
fokussiert (und bevorzugterweise auch noch ein nettes, positives Bild der
nationalen Vergangenheit übermittelt). Kolumbus war kein Baumeister des
britischen Empires, und der Geschichtslehrplan tendiert eher dazu, sich mit
englischen Entdeckern und dem britischen Empire zu befassen, als mit der
Ausbeutung von „Fremden“.
References
Church, S. (2002) Seminar for history mentors, School of Education, 10 May
2002. (Stephen Church is a Professor of Education at the University of East
Anglia).
Longworth, N. (1981) We’re moving into the information society- what shall we
teach the children?, Computer Education, June: 17-19.
Tosh, J. (2008) Why
history matters, Basingstoke, Palgrave Macmillan.
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